Der Norden ist wärmer als der Süden. Klingt komisch, stimmt aber in Alaska, wenn man nur bis zur Mitte von Alaska fährt. Fairbanks ist bekannt für richtig warme Sommer und auch die Tage die ich dort verbracht habe waren schöne 20 bis 25 Grad warm. Die Kehrseite ist, dass es im Winter auch deutlich kälter wird im Norden. Die richtige Arktis fängt erst nördlich der Brooks Range an und das sind nochmal über 600km von Fairbanks.
Leider fängt die Schotterstrasse schon 140km nördlich von Fairbanks an und auf diese will ich mit dem Mietauto nicht fahren. In Fairbanks habe ich relative schnell festgestellt, dass es gar nicht so viel zu tun gibt wie ich dachte. Die vielen heissen Quellen seien entweder touristisch oder aber runter gekommen und die Berge im Norden von Fairbanks (White Mountains) sind eigentlich für den Sommer ungeeignet, da sie sehr feucht sind im Sommer. Ein Ziel hat mich allerdings gereizt und zwar die Tolovana Hot Springs (diese kennt kaum jemand und auch nicht der Reiseführer). Diese heissen Quellen sind nur über einen 16km Wanderweg zu erreichen und haben 3 verschiedene Hütten und 3 verschiedene Bäder. Problem: Sie liegen in der Nähe der White Mountains und gehen durch ein Tal welches sehr nass ist. Ich wiederhole mich, wenn ich erwähne, dass die Park Ranger und die sehr hilfsbereiten Menschen hier meistens keine grosse Hilfe darstellen. So hat die Frau, welche die Hütten verwaltet, mir 20 Minuten lang am Telefon versucht die Wanderung auszureden. “Niemand geht im Mai oder Juni”, “alles ist matschig und nass”, “ohne Gummistiefel sollte man gar nicht los”, “es gibt sehr viele Schwarzbären momentan” und dies alles 10 mal wiederholt. Ich hatte nur angerufen, um herauszufinden wie die Bezahlung abläuft und ob die Hütten frei sind (letzteres war logisch, ist ja niemand hier). Irgendwann hat sie aufgegeben und mir erklärt sie akzeptieren nur Checks… Nach vielen weiteren Stunden, auch der Park Ranger hatte mir mittlerweile von dem Weg abgeraten, den er wäre super nass, (Einschub: Der Park Ranger war noch nie an diesen Hot Springs und ist 2019 auch noch nicht wandern gewesen) habe ich mich dann mit Georg (53 aus Bayern) auf den Weg gemacht. Georg hatte mich nach meiner Wanderung über den Ressurection pass ein Stück mit dem Auto mitgenommen und ich habe ihn im Denali Nationalpark wieder getroffen.
Kurz gesprochen, die Frau hatte nicht unrecht, den zwischen Kilometer 3 und 6 war es in der Tat matschig und wir mussten uns das ein oder andere Mal durch die Gebüsche schlagen oder von Grasinsel zu Grasinsel springen. Auch die Bärenspuren haben wir deutlich sehen können. Der Rest war relative einfach und führte über einen einfachen Weg durch Birkenwälder.
Die heissen Quellen waren nach der anstrengenden Wanderung eine mehr als befriedigende Belohnung. Zwei von den drei Pools, in welche das heisse Wasser geleitet wurde, waren allerdings so heiss, dass der liebe Georg es nicht ausgehalten hat. Die gefühlt kochenden Badewannen in die meine Mutter mich früher gesteckt hat, haben mich da ein wenig mehr abgehärtet.
Wir haben einen sehr schönen Abend verbracht. Erstmalig hatte ich Probleme mit den Mücken (kein Wunder bei Sumpfgebiet und heißen Quellen), aber aufgrund eines tollen Geschenkes konnte ich ungestört in den Quellen sitzen.
Am folgenden Tag habe ich Fairbanks wieder Richtung Süden verlassen, Richtung Delta Junction und Paxson. Die Strecke ist so schön, dass selbst ich gerne Auto fahre. Ich bin auch an einer Herde Bisons vorbei gefahren. Bisons wurden nach der Ausrottung in Alaska wieder angesiedelt, eine von vielen Perversionen unserer Rasse.
Entlang dieser Strasse führt auch die Alaskan Pipeline. Diese Pipeline führt von Prudhoe Bay (grösstes Oelfeld in Nordamerika) 1287km nach Valdez (bekannt durch den Valdez Oil Spil, dazu aber aus Valdez mehr). Sie wurde 1977 fertig gestellt und brachte den zweiten Gold Rush nach Alaska. Viele Menschen sind für den Bau nach Alaska gezogen und einige sind geblieben.
Die Ölproduktion in Alaska hat bereits 1988 mit 2.1 millionen Barrel pro Tag seinen Zenit erreicht und liegt heute bei “nur noch” 510 tausend. Die Ölindustrie stellt ein Drittel aller Arbeitsstellen und ähnlich dem norwegischen Vorbild gibt es auch hier einen Ölfonds, der dem Staat und den Einwohnern zu gute kommen soll. Leider funktioniert es nicht wirklich gut, den die starke Öllobby unterwandert immer wieder die Politik. So wurden vor einigen Jahren (bei Ölpreisen weit über 100 USD pro Barrel) neue Regeln vereinbart die bei momentanen Preisen (75 USD) zu höheren Subventionen als Steuereinnahmen führen. Dumm gelaufen. Der Fonds hat heute einen Wert von 68 Mrd. USD (Norwegen 900 Mrd. USD) und hat ca. 33.000 USD an Dividenden an die Bevölkerung ausgezahlt. Die Norwegische Ölproduktion hatte ihren Zenit in 2001 mit etwas über 3.0 millionen Barrel am Tag. Während die Norweger Bildung und Gesundheit völlig kostenlos zur Verfügung stellen, aber hohe Steuern erheben, gibt es in Alaska die jährlichen Dividenden und nur marginale (oder keine) Einkommenssteuer für die Bevölkerung. Unterschiedlicher Ansatz, aber für mich ein klarer Sieg für Norwegen.
Die Pipeline wird im Zick-Zack Muster gebaut um der thermischen Ausdehnung und auch den Erdbeben mehr Spielraum zu geben. Es gibt 11 Pump Stationen und die komischen Klumpen auf dem Bild oben sind die Putzmanschaft für die Innenwände der Pipeline.
Zurück zu meinen Ausflügen. Mein erstes Ziel südlich von Fairbanks war der Donnelly Dome. Eine Erhebung mit wunderbarer Aussicht (allerdings nicht bei diesigem Wetter) im Militärgebiet. Ich musste mir vor meinem Aufstieg eine Erlaubnis einholen das Militärgebiet zu betreten, allerdings habe ich vor Ort niemanden gesehen.
Kurz darauf bin ich wieder auf die Alaskan Range gestoßen, die Bergkette welche auch durch den Denali Nationalpark läuft. Diese beheimatet einige schöne Gletscher. Zum Castner Glacier bin ich noch an selbigem Abend gelaufen. Eine Familie startete zum gleichen Zeitpunkt und war überzeugt, dass der Weg rechts von Fluss zur Gletscherhöhle führen würde. Leider war dem nicht so. Nach 5km gekraksel über Steine und Schotter habe ich mit erstaunen festgestellt, dass ich bereits auf dem Gletscher stehe. Dieser war allerdings so voller Schutt, dass nur an wenigen Stellen überhaupt Eis zu sehen war.
Ohne eine schöne Gletscherhöhle (oder überhaupt irgendetwas schönes) zu finden bin ich wieder umgedreht. Zurück am Auto habe ich ein Paar kennengelernt welches mich fragen wollten, ob es rechts oder links vom Fluss zur Höhle gehe (rechts auf jedenfall nicht!!!). Mit Chad und Stephanie habe ich dann auch vor Ort gecampt und einen schönen Abend verbracht. Dieser beinhaltete einen neuen Versuch auf der linken Flussseite, weil die beiden nicht bis zum nächsten Morgen warten wollten. Die Höhle war sehr einfach zu erreichen und konnte die Enttäuschung der rechten Flussseite ausradieren.
Chad und Stephanie haben beide Geologie studiert und so haben wir lange über die blaue Farbe des Gletschereises gefachsimpelt. Eis in seiner reinsten Form absorbiert jegliches Licht abgesehen von der Wellenlänge die blauem Licht entspricht. Dies fällt allerdings erst ab einer Schichtdicke von ca. 3m auf (dies ist ein Mix aus Infos von Chad und dem Internet). Schnee und lockeres Eis haben allerdings so viele Lufteinschlüsse, dass an diesen das Licht in alle Richtungen gestreut wird und sie dadurch weiß erscheinen. Der Gletscher presst durch sein Gewicht das Eis so sehr zusammen, dass diese Lufteinschlüsse verschwinden und das Licht nur leicht abgelenkt (und von allen Farben ausser Blau gefiltert) durch das Eis wandert. Unabhängig von all diesem physikalischen Quatsch könnte ich Ewigkeiten in dieses Blau der Gletscher schauen. Es erwirkt in mir das gleiche Gefühl wie die hohen Berge. Diese Stabilität und Grösse zeigt mir immer auf wie unwichtig und befristet mein eigenes Dasein auf diesem Planeten doch ist. Mit diesem Wissen werden alle persönlichen Probleme zu Kleinigkeiten.
Auch Chad und Stephanie sind übrigens der politischen Diskussion sehr aufgeschlossen und an Europa interessiert, sodass ich viele Fragen beantworten musste. Chad geht im Juni mit seinem Kutter auf Lachsfang, ich hoffe sehr, dass er mich anruft und als Arbeitskraft einen Tag hinaus aufs Meer nimmt.
Der Gulkana Gletscher an welchem ich heute war liegt nur 30km südlich vom Castner Glacier und entspringt der gleichen Quelle. Gulkana war allerdings nicht von Geröll bedeckt und bot daher einen deutlich schöneren Anblick. Leider war der Weg immer wieder von Schneefeldern bedeckr, sodass ich es nicht bis zur Zunge des Gletschers geschafft habe. Auf dem Weg dorthin konnte ich dafür über diese schöne Brücke gehen. Eine der wenigen Brücken die es hier für Fussgänger gibt. Normalerweise geht man einfach durch den Fluss. Brrr kaltes Gletscherwasser.