Viele Meerestiere und viel Schnee
Nach der schönen und unerwarteten Juneaureise habe ich einen neuen Anlauf Richtung Süden auf sie Kenai Halbinsel gemacht. Dort war ich bereits an meinem Geburtstag und bin im Regen versunken. Dieses mal hatte ich dafür großes Glück denn so einen blauen Himmel habe ich bislang noch nicht gehabt in Alaska. Von dem netten Taxifahrer abgesetzt (der mich umsonst per Anhalter mitgenommen hatte) ging es ins Hostel welches leider 10km außerhalb von Seward liegt. Dort habe ich anstatt eines Bettes im 6er Zimmer eine Yurt bekommen (130$ anstatt 35$, allerdings zum Preis von 35$). Yurts sieht man in Alaska sehr häufig. Ursprünglich kommt es wohl von den Mongolen und ist nichts weiter als ein Zelt mit Holzgestell und sehr stabilen Wandmaterialien. Ein Fahrrad habe ich mir umsonst ausleihen dürfen und zur Yurt wurde ich chauffiert. Läuft also. Bislang klappt meine autofreie Zeit sehr gut, auch wenn es die Planungen um einiges beschwerlicher macht. Nach einer lang ersehnten Dusche bin ich mit dem Rad zum Bear Creek gefahren. Der Taxifahrer hatte mir das empfohlen und gesagt: “the fish have arrived”. Und wie er Recht hatte. Am Bear Creek gibt es eine Schleuse und die 100m Wasserlauf vor dieser Schleuse haben ungefähr so viel Fisch wie Wasser.
Wahrscheinlich geht es noch viel weiter so, allerdings müsste ich dafür in den Wald stapfen. Normalerweise kein Problem, aber die Anzahl der zerfledderten Lachse die im Wasser oder mit Bisswunden am Rand liegen sind ein deutliches Zeichen von einem sehr hohen Bärenaufkommen in der Gegend. Dafür hätte ich gerne ein Auto. Nachts im Auto auf die Lauer legen… das wäre genial.
Ich habe schon viele Videos über die Lachse gesehen, aber das es genauso wie im Film ca. 1km entfernt von meinem Bett genauso aussieht hätte ich nicht gedacht. Die Lachse sind früh dran dieses Jahr und sind Sockeye Salmon (auch Red Salmon genannt). Lachse schwimmen zum Laichen (sollte eigentlich Leichen geschrieben werden) aus dem Meer bis maximal 1400km die Flüsse hoch zu dem See in dem sie vor 4-7 Jahren geschlüpft sind. Die Orientierung der Lachse ist meines Wissens immer noch in der Erforschung. So kommt es, dass in Flüssen die aus keinem See stammen auch keine Lachse zu finden sind. Die Fische verirren sich einfach nicht. Lachse hören sobald sie das Salzwasser verlassen auf zu essen und sterben völlig verausgabt (diesmal im wahrsten Sinne des Wortes) nach der Paarung. Diese Reise kann Monate andauern und das Fleisch wird wohl immer ungenießbarer solange die Reise geht. Ich habe Fische immer für relativ langweilige Tiere gehalten, allerdings verstehe ich auch erst jetzt wieso es ganze Filme über Lachse gibt. Eine echte Leistung. Die Lachse die ich gesehen habe waren allerdings überhaupt nicht rot (nur an den Stellen in die die Bären ihre Krallen gebohrt hatten). Denn auch die Farbe der Lachse ändert sich mit der Reise im Süsswasser.
An der Furt an der ich die Lachse gesehen habe, werden exakt 1200 Männchen und 1200 Weibchen aus dem Wasser geholt und getötet (unterschieden werden sie an der Krümmung des Schnabels), während viele andere geimpft werden und danach in den See entlassen. Wie mir erklärt wurde sind in den letzten Jahren im Bear Lake knapp 50% der Lachse an einer Krankheit verendet bevor es zur Paarung kam. Die Mitarbeiter werden im Sommer wieder kommen und viele Tiere einfangen, um sie unter geschützten Bedingungen zur Paarung zu bringen (geschützte Bedingung für die Kinder, denn die Lachse werden aufgeschnitten, naja sie sterben ja sowieso nach der Paarung) um danach 1.2m gesunde Babylachse wieder in den Bear Lake zu entlassen. Dort verbleiben sie dann bis zu 2 Jahren bevor sie ins offene Meer schwimmen. Einerseits eine positive Massnahme andererseits auch nur eine Folge der Überfischung und eine weitere Zerstörung (durch die Impfung) der Wildlachskulturen. Normalerweise schaffen es von ca. 3000 Eiern zwei Lachse ihren Lebenszyklus zu durchlaufen.
Ich habe versucht ein paar der Lachse die bis zu 80cm lang und 7kg schwer (ich schätze die größten in dem Fluss waren so 60cm) seien können mit den Händen zu fangen. Die Entfernung und Verfügbarkeit stellen kein Problem dar, allerdings die Glitschigkeit. Ich konnte sie zwar leicht anheben, aber kurz darauf sind sie mir durch die Finger geschlüpft. Das Fischen ist im Bear Creek sowie Bear Lake verboten. Auch hier waren die Mitarbeiter sehr freundlich und haben mir das ganze Leben der Lachse und ihre eigenen Aufgaben erklärt.
Jetzt ein kleiner Zeitsprung von 5 Tagen nach vorne. Denn da war ich nach der Cecil Rhodes Wanderung am Russian River und habe den Wahnsinn des Fischens gesehen. Die Saison wurde eröffnet und aufgrund der hohen Lachszahl darf jeder mit Fischlizenz 6 Lachse pro Tag rausziehen (normal wären 3). Wer genau aufgepasst hat, fragt sich bereits wie man Lachse angelt die nichts mehr essen. Gute Frage. Allerdings bei der Zahl der Lachse sehr einfach möglich. Man wirft den Haken in den Fluss, wartet bis die Strömung ihn Abwärts treibt und reisst den Haken wieder zurück. Snatching wird das genannt. Man hofft den Haken in einen der Lachsköpfe zu rammen und in dann rausziehen zu können. Die Regeln sind hier sehr streng und die Leute achten richtig “Deutsch” darauf, dass sie eingehalten werden. Ein Fisch mit Haken unterhalb des Kopfes muss frei gelassen werden (noch mehr Löcher im armen Fisch). Sobald der Nachbar einen Fisch hat müssen alle drum herum aufhören. Es darf nur geangelt werden, Netze sind erst später im Jahr erlaubt. Der Abstand zum Nachbarn ist festgelegt und der Fisch muss sofort getötet werden. Eine riesen Sensation. Wie ernst die Einheimischen das Lachsfischen sehen, sieht man daran, dass auf dem ersten Foto eine Frau mit Baby im Wasser steht und fischt.
Nach dem lehrreichen Ausflug (zurück in der Zeit zum Bear Creek), anstatt 20 Minuten bin ich 2h dort gewesen, bin ich in das 10km entfernte Dorf gefahren um in einem super Restaurant (war ich schon beim ersten Mal) essen zu gehen. 7 Minuten vor Schließung war ich dort und durfte netterweise noch etwas bestellen. Der Kellner, hat mich an das tolle Restaurant Memoire in Zürich erinnert (Dank an Nick und Lukas), denn er hat mir den Ursprung aller Zutaten der Gerichte erzählt und war sehr freundlich. Nach gutem Essen habe ich mich erinnert, dass Jim (Bekanntschaft vom Hinflug) mir mal geraten hat einen Matt zu suchen in Seward. Er sei ein Freund und würde mich sicher gerne kennenlernen. Die Nummer die Jim mir damals gab führte allerdings nach San Diego und dort kannte niemand einen Matt. Ich habe mir einen Ruck gegeben und den netten Kellner gefragt ob er einen Matt kennt der hier arbeitet. “Yes I know Matt Cobe, I am Matt Cobe” war seine Antwort. Es war so witzig, dass wir uns noch länger unterhalten haben und er mir gesagt hat er bringe mich auf einen Tagesausflug auf ein Schiff, da seine Frau dort arbeitet. Wow, so spart man sich 175$.
Den ersten vollen Tag in Seward bin ich zum beliebtesten Rundweg des Dorfes gefahren. Es wimmelt in Seward jetzt tatsächlich vor Touristen. Am Ufer stehen hunderte Wohnmobile und auch der Campingplatz ist voll. So auch auf diesem kleinen Rundweg. Ich hatte allerdings größere Pläne und bin zum (laut Ranger geschlossenen und unerreichbaren) Harding Ice Field gewandert. Ich war allerdings diesmal nicht der erste der dort oben war, aber der einzige zu meinem Zeitpunkt. Die anderen (wirklich vielen) Wanderer haben vorher umgedreht. Ich kann es ihnen nicht verübeln, denn mindestens 600 der 1300 Höhenmeter waren schneebedeckt. Das Harding Ice Field ist eine Gletschermasse aus der ca. 40 Gletscher hervorgehen, von einer Fläche ungefähr so groß wie Berlin und inklusive der Gletscher grösser als das Saarland. Verwundert hat mich die geringe Höhe (Spitze des Eisfeldes liegt unter 1800m) bei gleichzeitiger Nähe zum Meer. Es fallen pro Jahr ca 12m Schnee auf das Eisfeld. Einige der Gletscher (später vom Boot aus zu sehen) kalben sogar ins Meer. So etwas gibt es meines Wissens nicht mehr in den Alpen. Oben angelangt war das Wetter super und die Sicht auf das Eisfeld beeindruckend. Nach ca. 15 Minuten fiel mir aber auf, dass dort oben eigentlich alles nur weiß war.
Den nächsten Tag habe ich mit Planen und Blog schreiben verbracht. Ja mittlerweile plane ich die letzten Tage in Alaska, denn die Kajaktouren müssen gebucht werden und auch die Anreise ist umständlich. Ich habe aufgegeben nach Reisegefährten zu suchen und werde die letzten gut 2 Wochen weiter alleine durch die Wildnis ziehen. Sobald das planen fertig war habe ich es wieder verworfen, denn eine Regenfront ist im Anflug und außerdem ist es sehr schwer eine passende Kajaktour zu finden.
An Tag 3 in Seward ging es auf das Schiff. Eine schöne kostenlose 7.5h Tour durch die Ressurection Bay zu zwei kalbenden Gletschern und vorbei an vielen Walen. Interessant war wie viele Menschen sich an der Reling nicht wie ich auf die schöne Natur, sondern auf ihre Tüten konzentriert haben… Touris auf See. Hier ein paar Eindrücke:
Aufgrund des Wetterumschwungs (der erstmal ausblieb) bin ich noch länger geblieben und zur nächsten Wanderung aufgebrochen. Hidden Lake. Eine schöne Wanderung mit Blick auf die Bucht zu einem zugefrorenen See. Nach ca. 1km kam mir jemand entgegen der umgedreht ist, weil eine 3er Gruppe einen riesen Braunbären auf dem Weg gesehen habe. Die 3er Gruppe kam kurze Zeit später und erklärte mir wo der Bär sei und dass sie ebenfalls umgedreht seien. Sie haben sich allerdings nur versteckt und nicht versucht den Bären zu vertreiben. Hm und jetzt? Dann kam die wichtigste Nachricht. Ca. 5 Minuten vor mir wäre ein Pärchen mit Hund unterwegs… na dann nichts wie hinterher. Das Pärchen hatte ich schnell eingeholt, den Bären haben wir aber nicht gesehen. Ich bezweifel auch stark, dass die beiden eine Hilfe gewesen wären. Der Hund war nichtmal an der Leine und ihre Rufe waren eher ein Flüstern. Ich bin mittlerweile innerlich zerrissen zwischen: “cool ein Bär” und “oh nein, ein Bär”. Die Wanderung war schön, allerdings meine Idee zwei Wanderungen zu 25km zusammen zu hängen (bei den ganzen Schneefeldern) eine sehr ermüdende Angelegenheit.
Dann habe ich Seward wieder verlassen und bin nach Cooper Landing getrampt. Ein Ort ohne Ort. Eine Strasse mit wenigen nicht zusammen stehenden Häusern und vielen Touristenunterkünften für die Lachssaion. Gewandert bin ich noch am Tag der Anreise auf einen Berg ohne echten (offiziellen) Wanderweg. Der Pfad ging in einer geraden Linie 1200 Höhemeter den Grat hinauf. Wer legt denn so einen Pfad an? Alle paar Schritte musste ich inne halten, vielleicht nicht die richtige Tour nach dem Vortagsmarsch?! Matt hatte mir empfohlen Cecil Rhodes zu besteigen und gesagt er wäre steil… dem habe ich vom Gipfel eine fluchende und lachende Sms geschrieben. Oben waren erstaunlich viele Bergziegen und eine tolle Aussicht.
Leider war der Bergrücken noch zugeschneit, sodass ich nicht auf die Rückseite gucken konnte. Erstmals habe ich mich nicht getraut einen Weg zu Ende zu gehen, da der Grat doch sehr schmal und steil war und ein rutschendes Schneepaket daher zu gefährlich. Vielleicht war ich auch einfach zu müde, denn ich bin nichtmal bis zur kritischen Stelle gelaufen. Auf zwei Fotos sieht man einen entfernten Waldbrand. Leider brennt es hier schon nach 2 Wochen ohne Regen. Die Rauchentwicklung zur beobachten war genauso interessant wie erschreckend, denn der Wind hat das Feuer wohl mächtig angefacht. Es brennen wohl 34.000.000m2 mittlerweile.