Valdez und Whittier Paddeln, Eis und Feuer
Alaska ist im Fishing Wahn. Überall sprechen die Leute nur noch vom Fischen. Alle Touristen gehen Fischen und die Fische an sich, wie im letzten Eintrag die Lachse, sind überraschend interessant. Dazu später mehr. Auf dem Weg von Cooper Landing nach Whittier hat das per Anhalter Reisen erstmals wenig Spass gemacht. Es gibt einen Spruch in Alaska der die Leute aufmuntern soll, die sich über schlechtes Wetter beklagen: “It’s always shittier in Whittier.” In Whittier gibt es an 211 Tagen im Jahr Niederschlag in Form von Regen, Schnee oder Hagel. Meist regnet es. So auch bei meiner Anreise. Ich musste leider 3 Autos nutzen um anzukommen und stand so zwei mal im Regen, umso näher an Whittier umso stärker der Regen. Allerdings ist der Regen nicht das einzig shittige in Whittier. Das ganze Dorf ist eine Vergewaltigung der Natur. Harte Worte, aber es ist nicht nur hässlich da es alleine als Militärstützpunkt erbaut wurde um die Japaner aus Alaska zu vertreiben. Nein es ist auch hässlich, weil sich wirklich niemand Mühe gibt das Dorf schön zu gestalten, den Müll wegzuräumen, Gebäude abzureißen oder zu restaurieren oder einen Baum zu pflanzen.
Das Militär hat den Standort wegen des schlechten Wetters gewählt, den die Wolkendecke stellte damals noch einen ausreichenden Schutz da. Da Whittier, heute per Tunnel, damals nur vom Meer aus zu erreichen war, war es extrem schwer zu entdecken. Das Hauptgebäude wurde 1953 fertig gestellt und beherbergte damals alle Einwohner, Vergnügungsmöglichkeiten wie Schwimmbad, Bowling Bahn, Bar und alle Arbeitsplätze. Zu allen anderen Gebäuden wurden Tunnel gegraben. Das Militär ist allerdings 1960 wieder abgezogen und das Gebäude verfällt seither.
Heute Leben fast alle der 212 Einwohner in einem ähnlichen Gebäude. Immerhin wurde das gestrichen.
Heute fungiert Whittier noch als Cargohafen und aus unerklärlichen Gründen landen dort auch einige Cruiseships. Meine Unterkunft hat Whittier perfekt widergespiegelt. Ich habe in der alten Sporthalle des Militärs mein Zelt aufgeschlagen. Die fungiert gleichzeitig noch als eine Bootshalle, dem Hauptsitz eines Kajakverleihs und als Unterkunft für einen großen Haufen Schrott. Die Duschen im Keller sind verfallen, sodass die Mitarbeiter des Kajakreiseveranstalters nur einmal in der Woche duschen können (in einem anderen Gebäude), keine Heizung und kein Internet haben, in Zelten schlafen und regelmäßig die Eimer umstellen müssen um den Niederschlagspunkt der Tropfen vom undichten Dach zu markieren. Ich würde dort nicht mal 3 Wochen arbeiten wollen. Alles könnte mit kleinem Aufwand wieder hergestellt werden, aber nichts passiert. Wie augenscheinlich überall in Whittier.
Der Regen hat leider nicht aufgehört als ich mit einer Familie und zwei Guides in die Blackstone Bay gepaddelt bin. Schöne Fotos sind so schwer zu schießen und nach ca. 3h war ich komplett durchnässt. Da war allerdings erst Mittagspause angesagt. So toll der Job als Tourenführer im Kajak auch ist, da bin ich nicht für gemacht und ich war froh wieder auf dem Boot zurück nach Whittier zu sein…
Am nächsten Tag fuhr meine Fähre erst um 13:30 Uhr nach Valdez (5.5h Fahrt) und wer hat’s erraten? Regen! Die Überfahrt war so etwas wie mein psychischer Tiefpunkt in den letzten Wochen. Die Hälfte meiner Kleidung war nass, ebenso der Rucksack, meine tolle Jacke hat in der weniger tollen Sporthalle einige Schmierölflecken davon getragen und ein gutes Buch konnte ich auf meinem eReader auch nicht finden (Wahrscheinlich war Fire and Fury/Donald Trump auch einfach die falsche Wahl bei schlechter Laune). Am nächsten Tag würde ich aus Valdez auf eine 4 tägige Kajaktour starten… Bitte Bitte kein Regen.
Valdez liegt ganz im Osten des Prince William Sound und hat im mehrfacher Hinsicht eine historische Bedeutung. Wichtig wurde Valdez erstmals wie so viele andere Dörfer in Alaska durch den Gold Rush in 1897. Nachdem Gold im Interior (also im Inneren) von Alaska gefunden wurde, wurden Routen gesucht, um von der Küste dort hin zu gelangen. Die Route über den Valdez Gletscher wurde schließlich auserwählt. Eine überdenkenswürdige Wahl. Man muss ihnen aber zugute halten, dass es 1900 kaum einen Pass in Alaska gab der nicht von einem Gletscher bedeckt war und der Gletscherweg bedeutete immerhin dem Regenwald aus dem Weg zu gehen. Schlecht war die Wahl am Ende des Tages trotzdem, weil der Gletscher hinter dem sichtbaren Teil einen Schwenker nach Westen macht, das Gold aber im Osten gefunden wurde. Der Weg wurde als All American Route ausgerufen und als sicherer Weg zum Gold von Alaska verkauft. Von Gletschern war damals keine Rede. Über 4000 Menschen haben versucht den Gletscher zu überqueren und benötigten zwei Monate um den Pass zu erreichen. Sie trugen nicht wie ich einen Rucksack, sondern Lebensmittel für 1 Jahr und alles was zur Goldsuche benötigt wurde. Ungefähr 100 haben es geschafft und sind am falschen Ort ausgekommen. Der Rest ist entweder gestorben oder rechtzeitig umgekehrt. Das nächste historische Event war das zweit größte Erdbeben seit Aufzeichnung der Weltgeschichte in 1964, welches unweit von Valdez sein Epizentrum hatte und das ganze Dorf auslöschte. Auf ehemaligen Gletscherablagerungen gebaut war Valdez ein leichtes Opfer und rutschte ins Meer. Das Dorf liegt heute 6 km von dem alten Dorf entfernt. Die Reste von Old Valdez sind nicht vorhanden und die Touristenattraktion ist eine grüne Wiese.
Valdez ist heute das Ende und der Hafen der Alaskan Pipeline. Fast jeden Tag legen Tanker an und bringen das Rohöl in die südlichen Staaten.
Direkt nach der Fährenlandung ging es für mich zum Briefing (heute viel Germisch). Meine Tourgefährten waren Jim und Tom (zwei Brüder um die 60) und der Naturbursche Kaden als Guide. Am nächsten Tag sollte es um 8 Uhr losgehen. Erster Eindruck positiv. Mit dem Wassertaxi ging es zur Nordwestseite von Glacier Island. Ich habe unsere Route mal nachgezeichnet. Startpunkt ist links im Bild (oben ist Norden). Die anderen Markierungen zeigen die Übernachtungen:
Der Himmel war bewölkt bei wenig Wind. Kein schlechter Start… Der erste Tag verlief relativ ruhig. Die Insel wurde früher (Eiszeit) mal von Gletschern überragt und diente mal 30 Jahre als Fuchsfarm. Von Häusern oder Anlagen ist aber heute nichts zu sehen. Heute dient sie nur als Aussetzort für Problembären. Die Südseite der Insel hat eine Exposition zum offenen Pazifik der bis zur Antarktis nicht mehr auf Land trifft, daher war mit dem ruhigen Paddeln nicht zu rechnen. Wir waren mit 2 Kajaks unterwegs. Kaden und ich in einem 3er Kajak und die Brüder in einem 2er. Es grenzte schon fast an Glamping (Glamour Camping für Instagram) was wir an Gepäck mitgeschleppt haben:
Ich habe an jedem Abend Treibholz gesammelt und zerstückelt und entgegen der Prognose des Guides ein Feuer entfacht.
Der zweite Tag führte am Bull Head vorbei auf die Nordseite der Insel bei strahlendem Sonnenschein. Bull Head ist benannt nach den männlichen Seelöwen die dort um die Wette brüllen und kämpfen, bis sie sich auf eine Raumaufteilung geeinigt haben. Später kommen die Damen angeschwommen (zur Zeit nicht auf der Insel) und suchen sich den Bullen mit dem größten und schönsten Platz aus. Fast wie bei uns Menschen… neugierige, lustige und fette Tiere. Die grossen Bullen wiegen über eine Tonne.
Auch Puffins gibt es auf der Insel, ein wenig kleiner als die aus Schottland.
Auf der Nordseite sind wir auch den ersten Eisbergen begegnet, die vom kalbenden Columbiagletscher stammen. Laut Kaden ist der Columbiagletscher für 1% des Meeresspiegelanstiegs seit 1980 verantwortlich. Das kann ich leider nicht verifizieren, aber anscheinend (laut wissenschaftlicher Studien) haben bislang die Gletscher Alaskas einen größeren Einfluss auf den Meeresspiegel als Grönland oder die Antarktis. Ihr Rückgang ist um ein vielfaches schneller. Physikalische Exkursion: Nur Gletscher auf dem Festland tragen zur Erhöhung des Meeresspiegels bei. Schwimmendes Eis, wie unsere Arktis, liegt zu 90% unter Wasser siehe Eisberg in Titanic (Dichte von Eis ist 10% tiefer als die Dichte von Wasser). Wenn das Eis schmilzt geht es in Wasser über, welches eine höhere Dichte hat und damit ein geringeres Volumen einnimmt. Somit ist das Schmelzen von schwimmenden Eis nicht für eine Erhöhung des Meeresspiegels verantwortlich. Dies ist an einem Wasserglas mit Eiswürfeln leicht zu veranschaulichen. Der Columbia Gletscher ist die Mutter aller kalbenden Gletscher in Alaska mit einer Eiswand von 100m Höhe (Oberhalb des Meeresspiegels). Umso enttäuschter war ich als ich erfuhr, dass wir nicht zum Gletscher paddeln würden. Es ist zwar möglich, aber der Guide hat die Route anders geplant und ebenfalls ist die Gefahr immer sehr hoch von den Eisbergen eingeschlossen zu werden. Auch an unseren Strand wurde Eis angespült. Ich bin mit Kaden neben einem Eisberg ins Meer gesprungen, leider hat der gute Tom nicht den Ausschnitt gewählt den ich erbeten hatte. Dieser ist in dem unteren Bild zu sehen.
Der dritte Tag brachte die Überquerung und die Besichtigung der Heatherbay mit sich. Dort habe ich erfahren dürfen, was es heisst Stress wegen Bugs zu haben. Mücken und Fliegen (besonders schlimm sind die kleinen Blackflies) wo man hinschaut. Nach nur 15 Minuten waren unsere Gesichter völlig zerstochen und auf fast jedem Foto waren diese Viecher zu sehen. Auf der Insel haben wir die einzige Fleisch fressende Pflanze Alaskas gefunden. Hoffentlich frisst die alle Fliegen auf… ich lernte heute, dass die Moskitos zur Bestäubung der Pflanzen in Alaska beitragen und die 150 Moskitoarten somit wichtig für die Pflanzenwelt sind! Ich habe schon hunderte erschlagen und mich dabei auch noch gut gefühlt…
Die letzte Nacht haben wir auf einer Gletschermoräne verbracht welche umschlossen von Eisbergen war. Ein schönes Ambiente.
Insgesamt hatten wir unendliches Glück mit dem Wetter. Kein Tropfen Regen und zwei Tage blauen Himmel. Es hätte kaum schöner sein können und die Zeit mit den 3 Männern war sehr harmonisch. Völlig alleine mit der Natur. Tom und besonders Jim waren ebenfalls vom Fishing Fieber gepackt. An jeder Stelle wurde die Angel ausgeworfen, allerdings meist erfolglos. Einzig in einem See wurden 3 Forellen gefangen von denen nur eine gross genug war um sie zu essen. Eigentlich wurden Halibut (Heilbutt), Pink Salmon und Rockfish gejagt. Halibut ist eine Flunderart von der ich nie wirklich wusste wie sie aussieht. Diese Flunder kann 3m lang werden und 200kg schwer!!! Der Rockfish (Rotbarsch) lebt in Tiefen ab 150m und kann bis zu 200 Jahren alt werden, bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von ca. 120 Jahren!!! Ich hätte auf 8 Jahre getippt. Man merkt ich weiss nicht besonders viel über Fische.
Heute bin ich von Valdez nach Homer geflogen (meiner letzten Station) mit einer kleinen Uebernachtung am Flughafen. Der Investment Banker am Flughafen.
Fliegen in Alaska ist genau wie das Autofahren eine neue Erfahrung für mich. Es ist unfassbar (amerikanisch maximal gesteigert) wie schön es ist über diese Gebirge zu fliegen. Das liegt nicht nur daran, dass es kein Security Check gibt und ich mit Wasser, Gaskartusche und Bear Spray einfach ins Flugzeug laufe, sondern an der Natur. Hier einige Eindrücke aus einem dreckigen Fenster und bei schlechter Sicht, nur damit man es sich vorstellen kann.